Die Holz-Dynamik
Aus der Stille, Tiefe und Ruhe, welche aus einer Integration hervorgegangen ist, regt sich eine Bewegung. Potenzial beginnt sich zu verwirklichen. Es geschieht ein Öffnen und ein Neubeginn. Das Holzelement ist die Bewegung des Frühlings, des neuen Tages, des Neuanfangs. Der Morgen ist der noch unbemalte Tag, den wir, wenn wir offen sind, mit unserer Kreativität, unserem Forscherdrang, unserer evolutionären Kraft, unseren Visionen, unserer Zuversicht und Hoffnung malen, gestalten, füllen können.
Diese Kraft des gestalterischen Erwachens wird verdeutlicht, wenn der Frühling in irischen Sagen als junger, kräftiger Mann dargestellt wird. Das Holz-Element ist das «Junge Yang» oder das «Kleine Yang». Es verleiht der Urkraft der Stille, der Wasser-Bewegung, eine Richtung. Diese Richtung weist nach vorne und nach oben, ist also klar gerichtet, noch nicht um sich greifend wie das Feuer, sondern vorwärtsstrebend, einem Ziel entgegen. So wie ein Baum sowohl in die Tiefe als auch in die Höhe dem Himmel entgegen wächst, verkörpert diese Bewegung den Ausdruck der Sehnsucht des Menschen nach Verwirklichung – nach Selbstverwirklichung und Weltverwirklichung. Eine Verwirklichung, die nie aufhört zu sein, ohne je die eigenen Wurzeln und damit die Quellen der Kraft zu verlieren.

Die «Grünkraft» (Hildegard von Bingen) des Frühlings ist eine transformative Kraft und zeigt sich im Menschen als ein gesundes Selbst, das sich aus der Quelle nährt, statt aus sich selbst (Narzissmus). Das Ich ist entwickelt, entfaltet sich visionär (statt nur reaktiv) in die Welt hinein und schenkt sich dieser Welt, statt in zwanghaften, neurotischen Endlosschlaufen sich selbst irgendwie am Leben zu erhalten.
Dieser nach außen gerichtete Yang-Aspekt des Holzes ist sehr ausgeprägt, wird jedoch eine ebenso starke Yin-Seite im Gleichgewicht gehalten und verhindert damit weder ein Ausbrennen noch ein Vermorschen. Das Yin-Organ des Holzes ist die Leber, welche speichert, umwandelt und verteilt und somit das Gleichgewicht des Stoffwechsels konstant herstellt. Im Zusammenspiel mit der Erddynamik erschafft diese Yin-Qualität ausgeprägte Mutter-Qualitäten. Der Leber zur Seite gestellt ist die Gallenblase, das Yang-Organ, der Diener der Leber.
Gerät die Holzbewegung aus der Balance, wird der Mensch zu zielstrebig, wettbewerbsorientiert, eingefahren, engstirnig, verbissen, machtorientiert und kontrollbesessen, dominant, ichzentriert, selbstverliebt und aufgebläht – der durchschnittliche Manager an der Zürcher Bahnhofstrasse also, der immer das letzte Wort haben muss. Und damit der ideale Anwärter auf ein Burnout. Das Holz nähert sich zu sehr dem Feuer, ohne im Wasser verwurzelt zu bleiben, und kann sich dadurch verbrennen. Vorher wird es rigide und brüchig, was sich in rigiden Bewegungs-, Wahrnehmungs- und Denkmustern zeigt.
Die Holzbewegung kann aber auch in die andere Richtung aus der Balance kommen und sich zu sehr dem Wasser annähern. Solche Menschen sind ziellos, energielos, antriebslos, unmotiviert, depressiv, willenlos, in sich zusammengefallen. Am Morgen fühlen sie sich auch nach genügend Schlaf schwer, träge, bleiern. Ihr Holz ist zu wenig dynamisch und wird morsch. Dementsprechend ist ihr Selbst und damit ihr Selbstvertrauen wenig ausgebildet und kann schnell gebrochen werden.
Bei beiden Vertretern einer unausgeglichenen Holzbewegung kann sich die falsche Bewegung in Aggression, Ärger, Wut, Zorn ausdrücken. Dies ist Ausdruck eines Öffnens, das sich nicht öffnen kann und daher ausbrechen muss.