Embodiment

was ich darunter verstehe

Wir leben in einer Zeit, in der KI zum Gesprächspartner wird, zum Coach, zur Beraterin, ja manchmal sogar zum Ersatz für Freundschaft. Texte, Bilder und Videos lassen sich immer weniger eindeutig einem menschlichen Gegenüber zuordnen. Es ist oft unklar, was von einer Person stammt und was generiert ist, welche Aufnahmen echt sind und welche simuliert. In dieser Situation wird etwas radikal kostbar, das sich nicht digitalisieren lässt: gelebte, körperliche Präsenz.

Mit Embodiment meine ich die Weise, wie sich Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Handeln im und durch den lebendigen Körper vollziehen. Der Körper ist dabei nicht nur Träger von Bewusstsein, er ist die Form, in der sich Bewusstsein in Welt zeigt.

Embodiment heißt für mich:

  • sich selbst im Körper wahrnehmen – Haltung, Atem, Spannung, Impulse

  • die Welt im Körper wahrnehmen – andere Menschen, Räume, Atmosphären

  • auf innere Stimme, Intuition, Gewissen und eine tiefe, schwer erklärbare Gewissheit hören

  • Handlungen so zu gestalten, dass sie im Körper stimmig sind und in Beziehungen tragfähig bleiben

Wissen ist mehr als Vermittelte Information – 4E-Kognition

In der 4E Cognitive Science – unter anderem durch John Vervaeke vertreten – wird deutlich, dass Wissen mehr ist als das, was wir in Sätzen ausdrücken können. Eine Proposition ist eine Aussage, die sich als wahr oder falsch beurteilen lässt. Wenn wir Wissen auf solche Aussagen verengen, geraten wir in eine Tyrannei des rein Propositionalen: Es zählt dann fast nur noch, was gesagt oder geschrieben werden kann.

4E beschreibt demgegenüber vier Dimensionen von Kognition:

  • Embodied – Erkennen ist im Körper verankert. Wie wir stehen, atmen, uns bewegen, prägt, was wir überhaupt wahrnehmen.

  • Embedded – Erkennen geschieht in Umgebungen. Räume, Gegenstände und andere Menschen bilden ein Feld von Bedeutungen und Möglichkeiten.

  • Enacted – Erkennen ist Handlung. Wir verstehen etwas, indem wir mit ihm umgehen, darauf antworten, damit experimentieren.

  • Extended – Erkennen dehnt sich in Werkzeuge, Medien und gemeinsame Praktiken aus. Notizbücher, Gespräche, Rituale werden Teil unseres Erkennens.

Embodiment ist in diesem Sinn keine Nische, sondern Grundbedingung. Ohne Körper gäbe es keine Perspektive, kein Verorten, kein „Von-wo-aus“ des Denkens.

Interrelationale Wirklichkeit

Ich gehe von einer interrelationalen ontologischen Grundlage aus. Wirklichkeit zeigt sich als Geflecht von Beziehungen. Ich erlebe mich nicht als isoliertes Zentrum, sondern als Knotenpunkt in einem Netz: verbunden mit Schwerkraft und Boden, mit Sprache, Menschen, Kultur, Geschichten, mit Gesichtern und Blicken, mit Geräuschen, Gerüchen und Atmosphären.

Die Einseitigkeit unserer Zeit – wie Ian McGilchrist sie etwa beschreibt – bevorzugt Abstraktion, Kontrolle, Berechenbarkeit. Das verstärkt den Eindruck, wir könnten „von außen“ auf die Welt schauen, ohne selbst Teil von ihr zu sein. Embodiment holt uns in diese Zugehörigkeit zurück. Der Körper erinnert uns daran, dass jedes Denken situiert ist, dass jedes Urteil Folgen im Gewebe des Lebens hat.

Der Körper als Empfindungs- und Erkenntniswerkzeug

Der Körper ist ein Empfindungswerkzeug. Jede Empfindung ist zugleich Ausdruck. Ein enger Brustkorb erzählt von etwas. Ein freier Atem ebenso. Ein Blick, der kurz ausweicht, ein Fuß, der am Boden Halt sucht, die Art, wie jemand eine Tasse hält – all das sind Formen von Bedeutung.

Der Körper spricht unaufhörlich zu uns. Er meldet Überforderung, Resonanz, Müdigkeit, Lebendigkeit, Kontakt, Rückzug. In diesem Sinn ist er ein Erkenntnisorgan. Embodiment ist damit eine grundlegende Epistemologie – also eine Weise, wie wir zu Erkenntnis kommen. Nicht nur über Theorien, sondern indem wir spüren, wie Welt sich anfühlt, wenn wir auf eine bestimmte Art in ihr stehen.

Von Embodiment zu Ethik

Aus dieser Perspektive entsteht Ethik nicht zuerst aus Regeln, sondern aus verkörpertem Wissen. Je feiner ich wahrnehme, wie meine Handlungen sich im eigenen Körper und im Körper der Beziehung niederschlagen, desto verantwortlicher kann ich handeln.

  • Wenn ich Druck aufbaue, spüre ich die Verengung in mir und im Gegenüber.

  • Wenn ich Raum gebe, nehme ich die Entspannung wahr, das tiefere Atmen, die Bereitschaft, wieder in Kontakt zu gehen.

  • Wenn ich Grenzen ignoriere, merke ich im Nachhinein die innere Dissonanz, die sich nicht wegargumentieren lässt.

Embodiment-Ethik heißt: Ich übe, die Wirkungen meines Tuns im Körper zu lesen und darauf zu antworten. Verantwortung wird zu etwas, das ich in Muskeln, Faszien, Atem und Berührung erfahre. Es geht um verkörperte Wirksamkeit – die Fähigkeit, so zu handeln, dass Lebendigkeit, Würde und Verbundenheit wachsen.

Embodiment bei Three Rivers

Three Rivers ist eine Embodiment-Methode, die auf der Höhe der aktuellen Erkenntnisse arbeitet und zugleich in einer langen Tradition verkörperter Praxis steht.

Three Rivers verbindet drei Übungsfelder:

  • präzise Solo-Bewegung in klaren Formen (RIVERS Solo)

  • stille, körperbezogene Kontemplation (UMI)

  • Partnerarbeit im Kontakt, im Wechselspiel von Geben und Antworten (OPEN HANDS)

In allen drei Feldern steht der Körper als Beziehungsraum im Zentrum. Haltung, Atem, Bewegung, Berührung werden zu Orten, an denen sich zeigt, wie jemand Nähe, Verantwortung, Distanz, Macht, Hingabe und Grenzen organisiert.

Three Rivers versteht Embodiment als gemeinsamen Weg:

  • gegen Isolation, weil wir einerseits in unserem Körper Isoliertes wieder integrieren, andererseits immer wieder in reale (und unausweichliche) Begegnung kommen

  • gegen Fragmentierung, weil die drei Methoden sich gegenseitig regulieren und wir über die Zeit eine zusammenhängende Praxis aufbauen

  • gegen Machtlosigkeit, weil wir erleben, dass kleine, konkrete Veränderungen im Körper die Qualität ganzer Situationen verschieben können

  • gegen Einsamkeit, weil wir spüren, dass unsere inneren Bewegungen Resonanz in anderen finden dürfen

Das Ziel ist keine Selbstoptimierung, sondern eine verkörperte Kultivationspraxis. Ein Üben, in dem Stabilität, Tiefe und Handlungsspielraum wachsen – für uns selbst, für unsere Beziehungen, für die Kontexte, in denen wir wirken.

Einladung

Wenn du spürst, dass dein Körper mehr sein könnte als ein Instrument, das durch den Alltag getragen wird, wenn du Embodiment als Weg zu Klarheit, Beziehung und Ethik erkunden möchtest, dann ist Three Rivers ein möglicher Rahmen dafür. Lass uns ins Gespräch kommen und herausfinden, welche Form von Praxis für dich, dein Team oder deine Organisation stimmig ist.